Weibliches Kapital

Gründerinnen sind rar in der deutschen Start-up-Szene. Doch Wirtschaft und Gesellschaft brauchen sie. In einigen Bereichen schimmert Hoffnung auf.
Illustrationen: Daria Domnikova
Illustrationen: Daria Domnikova
Alice Schumacher Redaktion

Die deutsche Gründerszene ist nicht gerade weiblich geprägt. Und Start-ups von Gründerinnen sammeln weniger Geld ein. Das sind nur zwei Befunde, die der Female Founders Monitor 2020 (FFM) präsentiert. Die vom Deutschen Berufsverband Startups e.V. einmal im Jahr herausgegebene Publikation gilt als wichtigste Darstellung der hiesigen Gründerinnenszene und konstatiert: Lediglich knapp 16 Prozent der Startups hierzulande werden von Frauen gegründet, die Zahl wächst seit Jahren kaum. Zudem haben sie größere Schwierigkeiten bei der Finanzierung. Zwar greifen sowohl männliche als auch weibliche Teams zu über 80 Prozent auf eigene Ersparnisse zurück. Doch schon beim Einsatz staatlicher Fördermittel ergeben sich Unterschiede: Männliche Teams setzen diese in rund 42 Prozent der Fälle ein, während weibliche Teams nur auf knapp 28 Prozent kommen. Venture Capital nutzen männliche Teams in knapp 18 Prozent der Fälle – weibliche nur in mageren 1,6 Prozent. Dass männliche Teams dabei deutlich höhere Summen einwerben, passt ins Bild.


Wirtschaft und Gesellschaft gehen dadurch große Chancen verloren. Nicht nur, weil Deutschland eine aktive Gründerszene braucht. Sondern auch, weil Gründerinnen laut FFM deutlich öfter in gesellschaftsrelevanten Feldern agieren, wie etwa dem Gesundheitswesen oder der Bildung. Das entgangene Potenzial lässt sich sogar berechnen: Die Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) fand in einer Studie aus dem Jahr 2018 heraus, dass rein weibliche oder gemischte Teams aus jedem investierten Dollar 78 Cent generieren. Rein männliche Teams kommen nur auf 31 Cent.


Über die Ursachen der Misere sind sich die Experten einig. In Deutschland etwa geben die für den FFM Befragten an, dass es oft schlicht an Kinderbetreuung mangelt – auch Gründerinnen kümmern sich anscheinend mehr um die Kinder als ihre Männer. Gegründet wird zudem immer noch vor allem im MINT-Bereich. Auch wenn Frauen hier aufholen, sind diese Studienfächer nach wie vor männlich geprägt. Häufig fehlt es Frauen auch an den nötigen Verbindungen in wichtige berufliche Netzwerke. Zudem ist die Investoren-Szene stark männlich dominiert. Eine schwedische Studie aus dem Jahr 2017 zeigt, dass bei potenziellen Kapitalgebern Gründer eher als visionär wahrgenommen werden, während Gründerinnen schnell als uninformiert und naiv gelten.


Was also tun? Das World Economic Forum zeigt in einer aktuellen Publikation Handlungsfelder auf. So sollten sich Frauen stärker über existierende Gründerinnenplattformen vernetzen. Die Kinderbetreuung muss ausgebaut werden. Mädchen sollten stärker an MINT-Fächer herangeführt werden. Ein Vorteil kann es auch sein, eben doch ein paar Männer ins Team zu holen. Und Venture-Capital-Gebern schließlich wird geraten, ihre Vergabeteams schlicht mit mehr Frauen zu besetzen. Hier gibt es in letzter Zeit einen positiven Trend zu vermelden: Kapitalgeber, die ausdrücklich in Frauenteams investieren. Kein Wunder – sie wurden von Frauen gegründet.

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