Digital, vernetzt und erfolgreich

Deutschlands Mittelstand wird immer digitaler. Doch die Unternehmen müssen dazu viele Hindernisse überwinden.
Illustration: Josephine Warfelmann
Illustration: Josephine Warfelmann
Axel Novak Redaktion

Große Chance oder riesiger Kostenfaktor? Wenn es um die Digitalisierung des Mittelstands geht, herrscht häufig noch Unsicherheit. Und manchmal entscheiden sich gerade diejenigen Unternehmen für den digitalen Wandel, deren Kernkompetenz eigentlich im Analogen liegt. Wie der Druckluft- und Pneumatikspezialisten Mader. „Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sie muss mit einem klaren Ziel verbunden sein“, sagt Werner Landhäußer, geschäftsführender Gesellschafter. „Für den Bereich Druckluft eröffnet sie neue, nie dagewesene Möglichkeiten, Prozesse transparenter zu gestalten und damit einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit und Energieeffizienz zu leisten“, sagt der Firmenchef.

Digitalisierung und Mittelstand – das sind nicht nur für Mader, sondern in Deutschland längst zwei Begriffe, die einhergehen mit Innovationsfähigkeit, Nachhaltigkeit und wirtschaftlichem Erfolg. Immer stärker setzt der Mittelstand auf digitale Tools und Prozesse: Knapp 15 Milliarden gaben kleine und mittlere Unternehmen im Jahr 2017 für Digitalisierungsvorhaben aus, hat der KfW-Digitalisierungsbericht Mittelstand 2018 ergeben. Rund eine Milliarde Euro mehr als im Jahr zuvor.

In den Unternehmen herrscht mittlerweile ein breiter Konsens darüber, wie wichtig die Digitalisierung ist. Denn wem die Transformation gelingt, der ist effizienter und kann mit neuen und verbesserten Produkten und Dienstleistungen überzeugen. Er ist einfach wettbewerbsfähiger. Wer auf Digitalisierungsprojekte verzichtet, der wird künftig vermutlich kämpfen müssen. Nur noch neun Prozent der Unternehmen sehen keine Notwendigkeit für ihren digitalen Wandel.
 

Strategische Ausrichtung fehlt
 

„Ihre Hausaufgaben haben die meisten Unternehmen gemacht. Wenn es aber um die weitreichende Digitalisierung von Prozessen geht, habe ich den Eindruck, dass viele Firmen doch recht altbacken damit umgehen“, sagt Philipp Hahn-Woernle, CEO des Mittelständlers Viastore. Sein Unternehmen hat sich vom Maschinen- und Anlagenbauer zu einem weltweit aktiven Systemintegrator und Softwarehaus entwickelt: Kunden aus Industrie und Handel hilft Viastore mit Technik und IT für Produktionsversorgung und Warenverteilzentren.

Die Effizienz solcher Anlagen hängt von der durchgängigen Digitalisierung der Prozesse und Schnittstellen ab. Und da liegt aus Sicht von Viastore noch einiges brach. Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe, also beispielsweise aus der Autoindustrie oder der Chemiebranche, setzen häufig auf digitale Produkte und Dienstleistungen, hat der Report ergeben. Auch wissensbasierte Dienstleister für Medien-, IT- und Informationsservices oder Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung werden mit neuen IT-Systemen und digitalisierten Arbeitsabläufen effizienter. Andere Branchen jedoch wie zum Beispiel die Bauindustrie haben sich noch nicht auf den Wandel eingelassen. „Unternehmen in Deutschland denken bei der Digitalisierung viel zu wenig strategisch“, sagt Hahn-Woernle. Er fordert nichts weniger als ein komplettes Umdenken. So müssten die Mitarbeiter nicht erst bei einzelnen Projekten, sondern schon dann eingebunden werden, wenn es um die Ausarbeitung einer Digitalisierungsstrategie und der entsprechenden Unternehmensvision geht.

Dabei müssen die Unternehmen viele Hindernisse überwinden. So ist für viele Mittelständler die Finanzierung von Digitalisierungsvorhaben häufig schwierig. Kleinere und mittlere Unternehmen unterschätzen häufig den Finanzbedarf ihrer Digitalisierungsvorhaben und denken allein in klassischen Einkaufsstrukturen. Auch fragen nur wenige Unternehmen Kredite für Digitalisierungsvorhaben nach. Zum einen, weil sich das nur bei größeren Vorhaben lohnt. Zum anderen sind Kredite deutlich schwerer zu bekommen für die Digitalisierung als beispielsweise für eine neue Maschine. Denn für Kreditgeber ist der Erfolg solcher Projekte oft unsicher. Und beim digitalen Wandel eines Unternehmens entstehen kaum neue Vermögenswerte, die als Sicherheiten für den Kredit herangezogen werden können.

Netzwerke für den Wandel
 

Auch hohe Anforderungen an Datenschutz sind Hindernisse auf dem Weg durch die Digitale Transformation. Weil Unternehmen die Sicherheit von Daten nicht richtig einschätzen können, verunsichern die aktuellen Cyber-Attacken und eigene schlechte Erfahrungen viele Manager besonders stark. Das Ergebnis: Viele Führungskräfte verzichten lieber auf digitale Lösungen, weil der Umgang mit sensiblen Daten zu kompliziert ist und gewohnte Arbeitsabläufe und organisatorische Strukturen verändert werden müssten.

Außerdem ist das notwendige Fachpersonal nicht so einfach verfügbar. Ende April 2019 fehlten in den Feldern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – den sogenannten MINT-Fächern –  311.300 Fachkräfte, hat das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft im Mai 2019 festgestellt. Das schlägt sich in den IT-Abteilungen und bei den IT-Dienstleistern nieder, die über zu wenig Informatiker, Programmierer und Entwickler klagen.

Um diese Hindernisse zu überwinden, arbeiten die Unternehmen in Netzwerken zusammen, beispielsweise mit Schulen, Fachhochschulen oder Start-ups. Vor Ort sind die Industrie- und Handelskammern aktiv, um junge Menschen für IT- und andere technische Berufe zu begeistern. Auch Kooperationen mit den Universitäten sind teils schon lange Tradition. Sie haben den Vorteil, dass Unternehmen Fachleute treffen, auf die technische Ausstattung der Uni – zum Beispiel Prüf- und Messstände für weitergehende Analysen – zurückgreifen und Kontakte zu Studierenden und Absolventen knüpfen. Viele Hochschulen sind mittlerweile im Netzwerk „Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren“ eingebunden, mit dem die Bundesregierung Mittelstand, Handwerk und Forschung zusammenbringt.

Der Druckluft- und Pneumatikspezialist Mader hat einen eigenen Weg beschritten: Er hat das Start-up Looxr mitgegründet: Dies bietet Services entlang von Druckluftsystemen an. Industrie 4.0, Energiemanagement und Datenanalyse für vorausschauende Wartung – alles schon vorhanden. Wer auf den Mittelstand schaut in Deutschland, der stellt fest: Die Unternehmen sind vielerorts schon dort, wo die Politiker irgendwann einmal hinwollen. 

Nächster Artikel