Die Zukunft der Industrie weiterdenken

Flexibler produzieren, produktiver sein und neue Geschäftsmodelle erschließen – all dies ist heute schon möglich, dank digitaler Lösungen.
Klaus Helmrich, Mitglied des Vorstands der Siemens AG
Klaus Helmrich, Mitglied des Vorstands der Siemens AG
Siemens AG Beitrag

Doch in der Zukunft der Industrie steckt weiteres Potenzial für alle Branchen: Zukunftstechnologien eröffnen produzierenden Unternehmen neue Möglichkeiten, die individuellen Wünsche ihrer Kunden zu erfüllen.

 

Sie ist der Treiber hinter der industriellen Entwicklung der letzten Jahre: die Industrie 4.0. Ihr Ziel: Kunden konfigurieren ihr Wunschprodukt online und erhalten es in kürzester Zeit, in höchster Qualität und zu einem attraktiven Preis. Die technischen Voraussetzungen, dies in die Realität umzusetzen, sind geschaffen. Der Schlüssel liegt darin, alle Schritte der industriellen Fertigung mit sogenannten digitalen Zwillingen zunächst durchgängig digital abzubilden, zu simulieren und optimal aufeinander abzustimmen – vom Produktdesign über die Produktion selbst bis hin zur Performance, also dem Gebrauch des Produkts beim Kunden.

Mit solchen Lösungen, die die virtuelle und die reale Welt der Produktion verbinden, können Unternehmen der Fertigungs- wie der Prozessindustrie die stetig wachsenden Herausforderungen in ihren hochdynamischen Märkten meistern: Sie können die immer schnellere Nachfrage nach neuen und individuelleren Produkten erfüllen, sie können ihre Produktionsanlagen flexibler für verschiedene Produktmodelle einsetzen und mehr mit weniger Ressourcen produzieren. Und sie steigern die Qualität ihrer Produkte und sparen so Kosten durch geringeren Ausschuss und weniger Produktionsstillstände.

All das ist mit den heute verfügbaren Lösungen schon möglich. An diesem Punkt der industriellen Entwicklung kommt es nun auf zweierlei an: Zusammenarbeit und Zukunftstechnologien. Erstens müssen industrielle Unternehmen, egal welcher Größe und Branche, die digitale Transformation der Industrie gemeinsam kontinuierlich vorantreiben.

Dazu sind Innovationspartnerschaften von Großunternehmen und Mittelständlern ebenso unerlässlich wie die Zusammenarbeit von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Für kleinere Unternehmen ist es zudem hilfreich, auf dem Know-how beratender Technologieexperten aufsetzen und gemeinsam mit ihnen passgenaue Lösungen für ihren individuellen Bedarf entwickeln zu können.

Ebenso essentiell ist der zweite Aspekt: die Zukunft der Industrie weiterzudenken. Denn der digitale Wandel ist noch nicht zu Ende. Siemens arbeitet deshalb mit seinen Kunden und Partnern daran, die nächste Stufe der digitalen Transformation zu erschließen: Gemeinsam müssen Technologieanbieter, Lieferanten und Anwender die vorhandenen Lösungen mit übergreifenden offenen Technologieplattformen – z. B. für Cloudanwendungen – und Zukunftstechnologien weiterentwickeln. Durch den gezielten Einsatz von Technologien wie beispielsweise künstlicher Intelligenz und Edge Computing werden sich in Zukunft die Flexibilität und Produktivität noch sehr viel mehr steigern lassen.

Grundlage für solche Technologien der Zukunft ist die Verfügbarkeit von Daten. Diese Daten sind dank der Digitalisierung reichlich vorhanden: Durch die eingangs beschriebenen digitalen Zwillinge, die alle Schritte der industriellen Fertigung im virtuellen Raum abbilden und miteinander verknüpfen, entstehen umfangreiche Datenpools. Diese lassen sich zukünftig auf völlig neue Weise auswerten und nutzen.

Am Beispiel der künstlichen Intelligenz (KI) wird deutlich, was das heißt. Zuallererst ist KI einfach ein Computerprogramm, das sich mit Hilfe maschinellen Lernens ohne menschliches Zutun optimiert und dann auf dieser Grundlage Entscheidungen trifft. Doch zum Lernen braucht KI eine große Menge Daten. Und diese Daten sind nur dort vorhanden, wo Abläufe digitalisiert und Software- und Hardwareplattformen miteinander verknüpft sind. So erkennen KI-Algorithmen im Siemens-Werk Amberg beispielsweise anhand von Daten aus Fräsmaschinen, wann die Spindeln der Maschinen das Ende ihrer Lebenszeit erreichen und ersetzt werden müssen. Das minimiert ungeplante Stillstände und spart Kosten.

Die Algorithmen für solche hochkomplexen Rechenvorgänge können entweder im industriellen Internet der Dinge in der Cloud liegen – oder in der Fabrikhalle selbst ablaufen, also direkt an der Maschine. Die Technologie dafür heißt Edge Computing. Ihr Vorteil: Intelligente Applikationen laufen vor Ort mit kurzen Übertragungswegen und einer Datenverarbeitung nahezu in Echtzeit. Zudem sind betriebsrelevante Daten geschützt in der lokalen Umgebung; eine Anbindung an die Cloud ist nur für Aktualisierungen der KI-Anwendungen nötig. Auch Edge Computing ist im Siemens-Werk Amberg bereits im industriellen Einsatz, zum Beispiel in der Qualitätskontrolle von Leiterplatten. Weil KI-Algorithmen anhand von Fertigungsdaten erkennen, welche Leiterplatten eventuell schadhaft sein könnten, müssen nur noch diese identifizierten Bauteile zusätzlich aufwändig per Röntgenstrahlung kontrolliert werden.

Autonome Produktionssysteme gewinnen durch KI ebenfalls ganz neue Möglichkeiten. Ein Beispiel: Während Roboter bislang zeitaufwändig an bekannten Objekten trainiert und jede Bewegung definiert und detailreich programmiert werden musste, befähigt KI sie, auch unbekannte Objekte zu erkennen und optimale Greifpunkte zu berechnen. Dies kommt bei vollautomatischen Montagelinien für komplexe Produkte, wie z. B. Autos, zum Einsatz: Diese Fertigungslinien müssen möglichst flexibel sein. Dazu müssen Roboter auch unterschiedliche Komponenten lokalisieren und bewegen können.

Solche Zukunftstechnologien finden Stück für Stück Eingang in Industrie-4.0-Lösungen. Sie bergen enorme Möglichkeiten für alle Branchen der Fertigungs- und der Prozessindustrie, denn sie erschließen neuartige Geschäftsmodelle und Produktivitätspotentiale. Das macht sie unerlässlich für die Wettbewerbsfähigkeit von Industrieunternehmen in der Welt von morgen. Ebenso unerlässlich ist dabei übrigens Cybersecurity: Digitalisierung kann ohne den Schutz vor Cyberangriffen auf industrielle Anlagen nicht stattfinden. Auch hier können KI und Edge Computing helfen, durch Datenanalyse schneller und zuverlässiger sicherheitskritische Zwischenfälle zu erkennen.

All diese neuen Entwicklungen können Besucher bei der Hannover Messe am Siemens-Stand live an Beispielen aus verschiedensten Branchen erleben. Mehr noch – in einer „Future Area“ können sie auch einen Blick darauf werfen, wohin die Integration dieser Zukunftstechnologien im nächsten Schritt führt: zu einer sehr viel stärkeren Verzahnung von Operational Technology (OT) und Information Technology (IT). Das bedeutet, dass die Daten aus dem Bereich der industriellen Entwicklung und Fertigung zukünftig auch verknüpft werden mit Daten aus anderen Bereichen eines Unternehmens, beispielsweise dem Einkauf oder dem Kundenmanagement. So wird die industrielle Produktion noch effizienter, schneller und zielgerichteter auf die individuellen Wünsche ihrer Kunden reagieren können.
 

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