Körper als Krebskiller

Bei der Immunonkologie wird das Immunsystem gegen Krebszellen mobilisiert. Vieles ist experimentell, aber es gibt auch etablierte Verfahren.
Illustration: Jennifer van de Sandt
Illustration: Jennifer van de Sandt
Sabine Philipp Redaktion

Im Idealfall sortiert das Immunsystem Krebszellen ganz von alleine aus. Ständig hält es Ausschau nach kranken Körperzellen und entfernt sie. Bei einer Krebserkrankung funktioniert dieser Mechanismus allerdings nicht. Krebszellen sind nämlich sehr geschickt darin, das Immunsystem zu täuschen. Falls sie doch identifiziert werden sollten, so sind sie in der Lage, sich sehr schnell anzupassen und das Immunsystem erneut zu täuschen. Erschwerend kommt hinzu, dass Tumore aus körpereigenen Zellen bestehen, und sich das Immunsystem verständlicherweise schwer damit tut, den eigenen Körper zu attackieren. Dabei spielen sogenannte Kontrollpunkte, auf Englisch Checkpoints, eine wichtige Rolle. Diese können den Zellen sozusagen das „Harmlos“-Siegel verleihen und damit ihre Vernichtung verhindern. Einige Tumore können diese Kontrollpunkte so manipulieren, dass sie dieses Siegel erhalten und unbehelligt bleiben.

Wie lässt sich also das Immunsystem entsprechend schulen? Hier setzt die Immunonkologie an. Eine wichtige Rolle spielen dabei die monoklonalen Antikörper. Sie identifizieren bestimmte Ziele anhand der Oberflächenstruktur, docken sich an diese an und rufen eine ganz bestimmte Wirkung hervor. Sie werden beispielsweise dafür eingesetzt, um die Manipulation der Kontrollpunkte zu verhindern. Bei diesem Ansatz spricht man von Checkpoint-Inhibitoren. Sie kommen zum Beispiel bei der Therapie von schwarzem Hautkrebs und Lungenkrebs zum Einsatz.

Ob und welche monoklonalen Antiköper eingesetzt werden können, hängt von der Krebsart, dem Stadium und den Eigenschaften des Tumors ab. Denn jeder Krebs ist anders. Selbst bei derselben Krebsart können sich die Krebszellen stark in ihrer Oberflächenstruktur unterscheiden. Daher entnimmt man dem Patienten vorab im Rahmen einer Biopsie Tumorgewebe und tes-tet, ob eine bestimmte Tumortherapie Erfolg verspricht.

Leider sind die Erfolge oft nicht von Dauer, da sich die Krebszelle auch hier in vielen Fällen anpasst. Dazu kommt, dass das Immunsystem sehr komplex ist. Bei Eingriffen besteht die Gefahr, dass es unerwartet überreagiert und sich gegen den eigenen Körper wendet.

Nichtsdestotrotz ist die Immuntherapie ein großer Hoffnungsträger. Aktuell forschen Wissenschaftler weltweit an neuen Ansätzen. Einer davon ist der Einsatz von CAR-T-Zellen (chimäre Antigenrezeptor-T-Zellen). Dabei werden dem Patienten T-Zellen entnommen und im Labor genetisch so verändert, dass sie in der Lage sind, den Tumor zu identifizieren und seine Zerstörung einzuleiten. Anschließend werden sie in den Körper injiziert, wo sie sich dann vermehren. Auch hier kann es zu sehr heftigen Immunreaktionen kommen. Es gibt aber auch spektakuläre Erfolge. So wie im Fall der Emily Whitehead. Die damals Sechsjährige litt an akuter lymphoblastischer Leukämie. Während der Behandlung fiel sie in ein Koma und musste künstlich beatmet werden. Am Ende war die Therapie jedoch erfolgreich. Seit acht Jahren ist Emily Whitehead nun krebsfrei.

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