Tierische Helfer in der Not

Über Rettungshunde, heilende Schutzkatzen und wohltuende Wellness-Sittiche.
Illustration: Heidi Gruber
Verena Mörath Redaktion

Sie heißen Motti und Fausi und sind speckig. Sie schlürfen und schmatzen alles weg, was ihnen unter den Rüssel kommt. Die beiden Minischweine unterstützen eine Sozialpädagogin bei ihrer Arbeit mit essgestörten Jugendlichen. Die fröhlichen Genießer sollen Lebensfreude vermitteln, Vertrauen schaffen und helfen, die jungen Menschen langsam für andere therapeutische Maßnahmen zu öffnen.


Auch Dirk hat einen dicken Bauch. Nichts bringt das Shetlandpony aus der Ruhe, es fährt sogar Aufzug, um im 2. Stock eines Seniorenheims alte Menschen, die bettlägerig sind, zu besuchen, sich kraulen und mit Möhren verwöhnen zu lassen. Eine aufregende und willkommene Abwechslung im Heimalltag.


Die Vielfalt tierischer Helferberufe ist tatsächlich immens. Haus- und Nutztiere hören zu, sie therapieren, warnen, begleiten und retten Menschen. Sie jagen Verbrecher oder Baumschädlinge. So werden Lamas als Co-Coaches eingesetzt, wenn Manager ihre Sozialkompetenz festigen wollen, denn der Paarhufer aus den Anden lässt sich ungern von einem unsicheren Menschen führen.


Dann gibt es Esel, die Spitzensportlern helfen herauszufinden, warum ihr Training nicht gut anschlägt oder ihre Leistungen schwächer werden. Statt zehn Mal einen Sprint zu laufen, heißt es einen sturen Esel zum Gehen zu bewegen und sich dabei den eigenen mentalen Blockaden zu stellen.

 

Die Entspannungsgarnele

 

Nicht bauchig und bockig, sondern eher zierlich und stoisch sind die Riesengarnelen. Sie helfen im Klassenzimmer hyperaktiven Schulkindern sich zu entspannen. Sie werden einfach von den Kids beobachtet, bis sich deren Nervosität legt und Konzentration wieder möglich wird.


Ein anderes Talent hat die afrikanische Riesenhamsterratte. Sie kann in nur 30 Minuten ein fußballfeldgroßes Gebiet nach Landminen absuchen und scharrt dort, wo eine geräumt werden muss. Die bekanntesten Spürnasen jedoch sind Hunde. Sie finden Drogen im Gepäck ebenso wie Schildkröteneier oder andere Schmuggelware. Für den Einsatz in der Landwirtschaft werden Hunde trainiert, Schädlinge wie beispielsweise den Asiatischen Laubholzbockkäfer zu entdecken. So können Obstbaumplantagen gesund erhalten werden.
Diese Vierbeiner leisten wirklich Erstaunliches: Nach entsprechenden Ausbildungen können sie als Diabetiker-, als Epilepsie-, Asthma- oder als Schlaganfallwarnhunde eingesetzt werden. Weltweit!

 

Der Diabetes-Spürhund

 

Der Labradorrüde Barney zum Beispiel hat gelernt, eine drohende Über- und Unterzuckerung als Folge einer Diabeteserkrankung zu riechen, bevor sie eintritt. Mit beharrlichem Stupsen warnt er seine seit 45 Jahren an Diabetes Typ I erkrankte Besitzerin zu handeln, bevor sie ohnmächtig werden könnte. Aber nicht jeder Hund kann dafür trainiert werden, denn den richtigen Riecher hat er von Geburt an oder eben nicht.


Katzen müssen nicht in die Schule gehen, um tierisch zu helfen. Es ist ihr So-Sein, ihre Gelassenheit, die Menschen erlaubt, ruhiger zu werden und zu entspannen. Das Schnurren von Katzen, so wird gesagt, löst durch sachte Vibrationen Muskelverspannungen, hilft bei Schlafstörungen oder lindert Stresssymptome. Wenn ein Mensch Schmerzen hat, gibt es Katzen, die sich zielsicher auf die schmerzhafte Stelle legen. Tatsächlich wurden Katzenfelle bis in die 1970er Jahre in Sanitätshäusern, Drogerien und Apotheken verkauft, um – ähnlich wie ein Wärmepflaster heute – Beschwerden bei Rheuma, Gicht und Ischias zu lindern, ohne dass jemals eine heilende Wirkung von Katzenfellen wissenschaftlich untersucht wurde. Erst seit 2008 gilt in der EU ein Importverbot für Hauskatzen- wie auch für Hundefelle. Gute Entscheidung: Heilender für die Seele ist sicherlich eine lebende und schnurrende Katze auf dem Bauch. Wie eine Wärmflasche, nur viel flauschiger.

 

Die Heilkatze

 

Es ist das warme, seidene Fell der Katze und das Zusammensein mit ihr, die für unser Wohlbefinden sorgen. Wir erleben Gefühle wie Geborgenheit, Glück und Zufriedenheit. Aber nicht nur die Katze, eigentlich alle Haus- und Nutztiere vermögen es, uns gutzutun. Es sind der treue Hundeblick, das fröhliche Schwanzwedeln, der Stupser einer samtenen Pferdenase, der lustige Kringelschwanz eines Ferkels oder einfach das Singen der Nachtigall im Park, die dafür sorgen, dass das Hormon Oxytocin ausgeschüttet wird. Umgangssprachlich auch Kuschel- oder Liebeshormon genannt.


Aber nicht nur die Hormonausschüttung lässt uns schweben. Auch die Tatsache, dass Tiere uns niemals bewerten. Sie akzeptieren uns, wie wir sind. Kein Hund, keine Katze oder Hamster würde auf die Idee kommen jemanden verändern zu wollen. Ein kostbares Gefühl, dass wir uns für sie und mit ihnen nicht optimieren müssen!

 

Der Wellness-Sittich

 

Wie wohltuend und gesundheitsförderlich Heimtiere sein können, hat der inzwischen verstorbene Sozialpsychologe Reinhold Bergler in vielen Studien wissenschaftlich betrachtet. So untersuchte er, wie Wellensittiche in Altenheimen die Lebensqualität von Bewohnerinnen und Bewohnern zu verbessern helfen. Hierfür wurde 100 Älteren in 37 Seniorenheimen in Deutschland für acht Wochen ein Vogel zur Pflege überlassen. Es konnte nach dieser Zeit gemessen werden, dass durch das Zusammenleben mit dem gefiederten Mitbewohner sich das persönliche Aktivitätsniveau erhöhte. Plötzlich wurde auf den Fluren über die Vögel getratscht und der Kontakt untereinander gefördert. Die Vogelhalter bewerteten ihre Lebenszufriedenheit nach den zwei Monaten höher als alle Seniorinnen und Senioren ohne einen Wellensittich.


Da mit solch wohltuenden Eigenschaften oder Talenten ausgestattet, ist es wenig verwunderlich, dass in fast jedem zweiten Haushalt in Deutschland ein Haustier lebt – Tendenz steigend. Auch wenn die Katze das meist gehaltene Haustier ist, verjagt der Hund die Katze in der Bewertungsskala „Mein Lieblingstier“ auf Platz Zwei. Es folgen dann Zootiere, Pferde, Vögel und andere Kleintiere. Der Trostpreis und der letzte Rang gehen in dieser Statistik an die Fische. Mit ihnen lässt es sich auch schwer kuscheln, Ball spielen oder spazieren gehen. Denn Unternehmungen und Aktivitäten mit dem Haustier steigern auch das Wohlbefinden. Dies fand eine Studie der Ruhr-Universität Bochum von 2016 heraus. Eine Last wird der tierische Freund nur dann, wenn durch ihn die finanziellen und zeitlichen Aufwendungen als zu hoch eingeschätzt werden.

 

Der Corona-Spürhund

 

Tiere helfen Menschen also auf vielfältige Weise, und die tierische Unterstützung entwickelt sich immer weiter. Jüngst und aus Anlass der Corona-Pandemie wurde ein Projekt gestartet, Hunde zu trainieren, damit sie in Proben Infektionen mit dem Coronavirus erkennen. In Deutschland forscht hierzu das Deutsche Assistenzhunde-Zentrum, unterstützt von Hundetrainern, Mitarbeitenden von Rettungshundestaffeln, Hundeschnüffeltrainern sowie von Virologen und anderen Wissenschaftlern. Der Impuls dazu kam von der englischen Wohlfahrtsorganisation „Medical Detection Dogs“, die seit vielen Jahren den Geruchssinn von Hunden untersucht und annimmt, dass jede Krankheit ihren eigenen Geruch hat und Hunde ihn identifizieren können. In Kooperation mit der „London School of Hygiene and Tropical Medicine“ (LSHTM) und der „Durham University“ hat das „Medical Detection Dogs“ schon bewiesen, dass mit einer speziellen Ausbildung Hunde in der Lage sind bei sieben von zehn Proben Malaria zu erkennen. Warum dann nicht auch COVID-19? Eine Antwort gibt es leider noch nicht, wäre aber sicherlich eine Schlagzeile wert.

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