Digital Office

Die Corona-Pandemie hat unser Arbeitsleben in kurzer Zeit umgekrempelt. Aber sind die Veränderungen auch wirklich nachhaltig?
Illustration: Iza Bułeczka
Illustration: Iza Bułeczka
Klaus Lüber Redaktion

Die Zukunft der Arbeit, da ist sich zumindest der Digitalverband Bitkom sicher, liegt im sogenannten Digital Office. Ortsunabhängiges Arbeiten, so formuliert es Nils Britze, Bereichsleiter Digitale Geschäftsprozesse, Bitkom e. V., in einem aktuellen Beitrag zum Sonderband „Zukunft der Arbeit“ der HR Consulting Review, wird die neue Normalität. Schließlich habe man gesehen, wie im Zuge der Corona-Pandemie Millionen von Arbeitnehmern kurzfristig ihre Erwerbsarbeit ins Homeoffice verlegen konnten. Für Britze ist klar: „Diese Flexibilisierung wird sich in weitreichenden Regelungen zum mobilen Arbeiten niederschlagen. Diese ermöglichen es Erwerbstätigen, dauerhaft zu Hause zu arbeiten und dabei berufliche und familiäre Belange zu vereinbaren – und sie können zugleich von ArbeitgeberInnen genutzt werden, um für Fachkräfte attraktiv zu sein.“

Dabei ist das Thema Homeoffice doch etwas komplexer als es vielleicht auf den ersten Blick scheint. Der drastische Anstieg der Homeoffice-Nutzung, nach Zahlen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) von etwa 16 Prozent vor auf etwa 35 Prozent nach der Krise, und das über alle Generationen hinweg, hat zunächst geteilte Reaktionen ausgelöst. „Ich glaube, da ging so ein Riss durch die Nation: Es gab die einen, die sich gefreut haben, dass sie keine Arbeitswege haben und auf ihrem Balkon in der Sonne mit ihrem Laptop sitzen konnten, und aus meiner Sicht gab es dann die anderen: Die haben Kinder“, so Tabea Scheel, Arbeits- und Organisationspsychologin von der Europa-Universität Flensburg, gegenüber der dpa. Laut einer Umfrage des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik (FIT) in Sankt Augustin stieg die Zufriedenheit im Homeoffice just dann wieder an, als der Schulbetrieb schrittweise wieder hochgefahren und die Notbetreuung ausgeweitet wurde.

Was die FIT-Umfrage auch zeigt: Viele Arbeitnehmer*innen vermissen den Kontakt zu ihren Kolleg*innen. Hatten die mehr als 2000 Teilnehmer vorher noch Kontakt zu durchschnittlich rund 10 bis 15 Kollegen, waren es im Homeoffice nur noch 5 bis 9, so Wolfgang Prinz, stellvertretender Leiter des Instituts. Es sei vor allem das Fehlen des persönlichen und fachlichen Austausches, der den Homeoffice-Arbeiter*innen zu schaffen macht. Fehlen diese Kanäle, könnten Prozesse innerhalb eines Unternehmens ins Stocken geraten, erklärt die Flensburger Arbeitspsychologin Scheel gegenüber der dpa. „Dieses ganze aus Versehen geteilte Wissen wird nicht mehr aus Versehen geteilt. Und das kann die Arbeitsprozesse tatsächlich sehr erschweren. Da arbeiten Leute dann vielleicht zu Hause ins Blaue rein, weil sie irgendetwas nicht mitgekriegt haben.“

So sehr das Homeoffice den einen entlastet, weil der Arbeitsdruck sinkt und das Zuhause-Gefühl Stress reduziert, handeln sich die anderen neue gesundheitliche Probleme ein, weil ihnen die feste Struktur eines Arbeitsalltags im Büro fehlt. Wer außerdem vor allem am Küchentisch oder auf der Couch am Laptop klebt, riskiert Rückenschmerzen oder Sehnenscheidenentzündungen. Denn nach Möglichkeit sollte der Arbeitsplatz zu Hause genauso aufgebaut sein wie im Betrieb. Eine vom Monitor getrennte Tastatur, ein höhenverstellbarer Stuhl mit Lehne und ein Schreibtisch sollten zur Grundausstattung eines jeden Homeoffice gehören.

Interessant ist auch das Thema Arbeitsweg. Denn auch hier gibt es sehr unterschiedliche Perspektiven zu bedenken. Ein regelmäßig mit dem Auto im Berufsverkehr feststeckender Pendler mag sich extrem über den Wegfall des stressigen Arbeitsweges freuen. Aber wer sonst zu Fuß oder mit dem Fahrrad ins Büro gelangte, merkt schnell: Ihm fehlt ein essenzieller Teil seiner täglichen Routine. Nämlich die körperliche Bewegung. Hinzu kommt eine psychologische Herausforderung. Ohne der Arbeitsweg fällt es manchem schwer, die Distanz zwischen Berufs- und Privatleben aufrechtzuerhalten: für viele eine durchaus erschöpfende Situation.

Bei allen Herausforderungen: Das Homeoffice wird vermutlich mehr sein als eine Übergangsphase. Dies legt eine gerade veröffentlichte Umfrage des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) und der Deutschen Gesellschaft für Personalführung nahe. Demnach hat fast die Hälfte (42 Prozent) der rund 500 befragten Unternehmen schon beschlossen, die Möglichkeiten, von zu Hause aus zu arbeiten, nach der Corona-Krise auszuweiten.

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