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Die Corona-Pandemie bechleunigt den Wandel der Arbeit rasant. Welche Rolle spielen Homeoffice und Remote Work?
Illustrationen: Luisa Jung by Marsha Heyer
Illustrationen: Luisa Jung by Marsha Heyer
Lars Klaaßen Redaktion

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie gewinnt die Digitalisierung immer mehr Bedeutung. Das sieht auch eine deutliche Mehrheit der Bundesbürger so: Zwei Drittel sind der Ansicht, dass digitale Technologien dabei helfen können, die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, etwa durch Homeoffice. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung von mehr als 1.000 Bundesbürgern ab 16 Jahren im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. Von den berufstätigen Befragten arbeitete bereits ab März dieses Jahres jeder Zweite ganz oder zumindest teilweise im Homeoffice. Für einige von ihnen ist das völlig neu: 18 Prozent durften zuvor gar nicht zu Hause arbeiten und machen das jetzt zeitweise (15 Prozent) oder ganz (3 Prozent). Weitere 31 Prozent konnten bereits vorher im heimischen Büro arbeiten und tun das jetzt häufiger (17 Prozent) oder ganz (14 Prozent). Dagegen geben 41 Prozent an, ihre Tätigkeit sei grundsätzlich nicht für Homeoffice geeignet.

 

„Die Corona-Pandemie und die drastischen Beeinträchtigungen des öffentlichen Lebens erzwingen ein radikales Umdenken in der Kultur vieler Unternehmen“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. Dass mobiles Arbeiten so schnell zum Standard wird, schien bislang undenkbar. „Jetzt aber werden wie unter einem Brennglas die immensen Potenziale sichtbar, die digitale Technologien grundsätzlich bieten“, so Berg. „Alle Unternehmen sind gefordert, Homeoffice für die dafür geeigneten Tätigkeiten einzuführen.“

 

Schon vor der Corona-Pandemie nutzten Firmen die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung auch zunehmend dafür, alternative Arbeitsformen zu etablieren. Remote Work heißt hierbei das Schlagwort: Sie kann an jedem beliebigen Ort stattfinden, auch im Homeoffice, ein Online-Anschluss genügt. Der Trend, Angestellte verstärkt außerhalb firmeneigener Büros arbeiten zu lassen, wurde durch die pandemiebedingten Einschränkungen im Jahr 2020 stark forciert. Ein Zurück zur alten Präsenz in den Unternehmen wird es wohl kaum geben, auch wenn das Homeoffice nach Corona wieder etwas weniger angesagt sein dürfte.

 

Sowohl für die Unternehmen als auch für deren Mitarbeiter birgt Remote Work Chancen wie Risiken. Einerseits begünstigt flexiblere Zeiteinteilung die Work-Life-Balance, auch die Wege von und zur Arbeit entfallen. Andererseits kann externes Arbeiten auf Kosten der Effizienz gehen, weil es etwa nicht mehr zu persönlichen Absprachen kommt und die Kommunikation generell schwieriger wird. Fernarbeit kann Prozesse auch verlangsamen, weil beim Arbeiten zu Hause mehr Disziplin gefordert ist als im unmittelbaren Kreis der Kollegen. Ein Forschungsteam des Instituts für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft der Universität Köln eruierte jüngst, dass Beschäftigte im Homeoffice den fehlenden persönlichen Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen als besonders herausfordernd erleben. Hier spielen Chefinnen wie Chefs eine wesentliche Rolle, ob und wie Präsenzarbeit und Heimbüro koordiniert werden: „Deutlich wird, dass Führungskräfte eine Vorbildfunktion einnehmen, wenn es darum geht, eine nachhaltige Homeoffice-Kultur zu etablieren“, sagt Projektmitarbeiterin Sabrina Zeike.

 

Mit guter Unternehmenskultur und Laptop allein ist es im Homeoffice auf Dauer auch noch nicht getan. Bislang sind die meisten Heimarbeitsplätze nicht angemessen für einen langen Achtstundentag eingerichtet. Dauerhaftes Homeoffice, offiziell als Telearbeit bezeichnet, unterliegt jedoch wie Büros der Arbeitsstättenverordnung.  Danach sind Arbeitgeber unter anderem verpflichtet, neben der technischen Ausstattung auch ergonomisches Mobiliar für Heimarbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Einige Büromöbelhersteller befassen sich bereits mit der Entwicklung spezieller Homeoffice-Büromöbel und angepassten Abrechnungsmodellen.

 

So haben Unternehmen etwa die Möglichkeit, das Equipment für eine wählbare Zeitspanne zu abonnieren. Dazu gehört das gesamte organisatorische Handling, von der Direktlieferung ins Büro zu Hause mit Montage bis zur Abholung nach Nutzungsablauf und sogar zum Möbeltransport bei einem Umzug der Mitarbeiter. „Nach den Erfahrungen im Frühjahr wollen wir es unseren Kunden einfach machen, Homeoffices mit Steh-Sitz-Tischen und guten Drehstühlen im Preisrahmen von Handy-Verträgen auszustatten“, sagt Jens Hohenbild, Geschäftsführer des Büromöbelsystem-Anbieters Inwerk. Die Kosten des Abo-Bundles aus Schreibtisch und Drehstuhl sind mit Monatsraten ab 20 Euro je Arbeitsplatz taxiert, sofort steuerlich abzugsfähig und nicht wie bei Abschreibungen an die 13-jährige Nutzungsdauer der AfA-Tabelle für Büroeinrichtungen gebunden.

 

Solche Modelle beschränken sich nicht bloß aufs Mobiliar. Schon vor der Corona-Pandemie zeigten Unternehmen zunehmend Interesse an Büroflächen, die temporär und mit flexibler Laufzeit genutzt werden können. In einigen Städten betrug der Anteil des Segments Co-Working an den Neuvermietungen von Büros bis zu 20 Prozent. So hatte das US-amerikanische Unternehmen WeWork schon vor zwei Jahren direkt im Berliner Quartier Potsdamer Platz mit 13.000 Quadratmetern die umfangreichste Co-Working-Fläche Deutschlands eröffnet. Unternehmen nutzen solche Angebote, um ihren Bürobedarf flexibler managen zu können. Für einzelne Projekte werden manchmal mehrere Etagen angemietet, die ohne großen Aufwand auch schnell wieder abgegeben werden können.

 

Ob man nun teils im Homeoffice und teils im Büro des Arbeitgebers arbeitet oder temporär in ein Co-Working-Office geschickt wird: Der fest zugeordnete Schreibtisch für jede Person kommt in diesen Konzepten nicht mehr vor. Dies funktioniert aber nur, wenn dieser Verzicht zu einem Gewinn für jeden Mitarbeiter wird. Das Raumkonzept muss mit einer Vielfalt an Modulen die bestmöglichen Arbeitsumgebungen für jede Situation bieten: ruhige Zonen für konzentriertes Arbeiten, Räume für Teamarbeit und andere Formen der Interaktion, Bereiche für informellen Austausch in Form von Sitzgruppen oder Cafés. Gewichtung, Vernetzung und Design sind in jedem Einzelfall vom konkreten Bedarf geprägt. Die Mitarbeiter sollen sich in der Umgebung dezidiert wohlfühlen. Ohne persönliches Familienfoto und eigene Zimmerpflanze muss das ganze Bürogebäude als Gemeinschaftsraum zur Identifikation einladen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen sich im Büro wie zu Hause fühlen und bei Bedarf problemlos in den eigenen vier Wänden arbeiten können.

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