Vernetzte Stadt

Deutschland ist stark im Bereich Industrie 4.0. Das Know-how im Management vernetzter Datenströme kommt nun auch im Handlungsfeld Smart City zum Tragen.
Illustration: Judith Hinel
Illustration: Judith Hinel
Klaus Lüber Redaktion

Einige Zeit vor der aktuellen Krise, als internationaler Austausch noch in persona möglich war, traf sich an einem heißen Sommertag im August eine Gruppe Stadtplaner, Urbanismusforscher und Journalisten aus der ganzen Welt am Berliner S-Bahhnof Südkreuz, um mehr darüber zu erfahren, wie Deutschland seine Städte smarter machen will. Smarter, das berichtete ein Systemingenieur der Firma inno2grid, das hieße zum Beispiel, den Stadtverkehr auf E-Mobilität umzustellen. Wie passend, dass eben in diesem Moment ein gelber E-Bus der Berliner Verkehrsbetriebe auftaucht. 200 sollen bis 2025 auf Berlins Straßen rollen. „Im Augenblick sind aber erst fünf unterwegs.“ Eine weitere Besonderheit: Das Fahrzeug lädt sich kabellos auf, über eine Ladeplatte unter dem Asphalt. „Wie bei einer elektrischen Zahnbürste.“

Smart City, das wird den Besuchern schnell klar, das ist auch für den sogenannten Vorreiter Deutschland immer auch noch ein Experimentierfeld. Und so ging es auch direkt nach dem Besuch des Bahnhofs Südkreuz weiter auf den Campus des sogenannten Europäischen Energieforums (EUREF), ein in Laufweite gelegenes Stadtquartier rund um das Gasometer, einen 78 Meter hohen stillgelegten Gasbehälter, der zu den markantesten Sehenswürdigkeiten der Stadt zählt.

Das 5,5 Hektar große Areal zählt zu den wichtigsten Referenzprojekten Deutschlands, wenn es darum geht, die Möglichkeiten aufzuzeigen, mithilfe technologischer Innovationen die Stadt der Zukunft zu gestalten – ein beeindruckendes Labor für Konzepte rund um die Visionen einer sogenannten Smart City. Rund 100 Unternehmen und Institutionen mit insgesamt 2000 Beschäftigten arbeiten und forschen dort inzwischen unter anderem an Lösungen in den Bereichen nachhaltige Energieversorgung, autonome Mobilität und digitale Vernetzung.

Beim weiteren Gang über den Campus, vorbei an diversen Ladestationen für Elektroautos, durch einen Showroom, der das Konzept des Smart Grid erklärt – also die Idee, Energiequellen intelligent zu vernetzen – durch ein hocheffizientes modernes Gaskraftwerk, das dazu beiträgt, schon heute die Klimaziele der Bundesregierung für 2050 zu erfüllen, zeigte sich interessanterweise: Es ist gar nicht unbedingt die Innovationskraft der Technik, die viele BesucherInnen begeistert. Er sähe hier nichts grundsätzlich Neues, so ein Professor für Urbanistik aus Kanada. Was ihn aber wirklich fasziniere, sei die Bereitschaft zur Veränderung.

Dass Smart City natürlich mehr beinhaltet als Energiemanagement und Elektromoblität, daran erinnerte die IT Firma Cisco in einer beeindruckenden Leistungsshow der Möglichkeiten, die die Vernetzung von Datenströmen bietet. Abfall, Wasser, Elektrizität, Licht, Verkehr, Kriminalität – all diese Bereiche seien im Augenblick noch in Silos organisiert, könnten aber vernetzt werden. Ein Demofilm aus Chicago betonte vor allem den Sicherheitsaspekt. Unfälle könnten besser koordiniert, sicherheitsrelevante Vorfälle schneller aufgeklärt werden.

Die Gäste waren beeindruckt, wenngleich etwas nachdenklich, was das Thema Datenschutz bei solchen Systemen angeht. Aber selbst hier zeigte sich: Es ist nicht unbedingt nur die Technik selbst, die für viele eine Herausforderung darstellt. Flavia Marzano, eine Stadtplanerin aus Rom, fasst es am Ende so zusammen: „Silos abbauen ist schön, aber noch wichtiger für mich ist die Frage, wie ich meine Kollegen davon überzeugen kann.“

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