»Das Mobile Büro ist Standard«

Die Bedeutung von Geschäftsreisen im internationalen Handel ist ungebrochen hoch. Das Gesamtvolumen und die Dauer steigt, die Entfernungen werden größer.
Illustration: Friederike Olsson
Illustration: Friederike Olsson
Interview: Klaus Lüber Redaktion

Was bedeutet das für Vielreiser? Welche Services sind Geschäftsreisenden wichtig? Und warum wird überhaupt so viel gereist – obwohl man doch die Möglichkeit hätte, sich über virtuelle Meeting-Plattformen auszutauschen? Ein Gespräch mit dem Business-Travel-Experten Stefan Vorndran.

Herr Vorndran, intensive internationale Handelsbeziehungen sind ohne Geschäftsreisen nur schwer vorstellbar. Spiegelt sich das auch in den Zahlen wider, die Sie als Reiseverband im Bereich Business Travel regelmäßig abfragen?
Absolut. Die Globalisierung hat dazu beigetragen und trägt weiterhin dazu bei, dass immer mehr internationale Geschäftsreisen stattfinden. Seit 2010 hat sich die Zahl der Dienstreisen kontinuierlich erhöht, von 154,8 Millionen auf den Rekordwert von 118 Millionen im Jahr 2017.  Die Anzahl der Flugreisen stieg 2017 um 5,4 Prozent, die Anzahl der Bahnreisen sprunghaft um fast 15 Prozent. Was wir auch feststellen können, ist eine Zunahme der durchschnittlichen Reisedauer. Oftmals werden auch Reisen miteinander verbunden, nicht nur von A nach B und zurück nach A, sondern von A nach B, weiter nach C und dann vielleicht wieder A. Hinzu kommt der Trend, auf einer Reise immer mehr Termine unterzubringen, um die Effizienz des Aufenthalts zu maximieren.

Das klingt, als steige bei den Reisenden der Stress.
So ist es auch. Ich glaube, man kann schon einen starken Wandel im Charakter einer Geschäftsreise über die letzten zehn bis 15 Jahre feststellen. Durch die immer weiter zunehmende Anzahl an Menschen, die auf Reisen sind, herrschen an Knotenpunkten wie Flughäfen inzwischen Verhältnisse, die besonders für Vielreisende eine Herausforderung darstellen. In vielen Wartezonen kann es ja schon ein Problem darstellen, überhaupt eine Sitzgelegenheit zu bekommen. Man muss aber auch sagen, dass im Bereich des Travel Managements natürlich gerade auf solche Entwicklungen reagiert wird, um den Komfort für Business Traveller zu erhöhen.

Welche Maßnahmen werden getroffen?
Beispielsweise hat man auf die Problematik der Security Checks reagiert. Als Vielflieger ist es natürlich extrem nervenzehrend, sich in langen Schlangen anstellen zu müssen. Abhilfe schaffen hier sogenannte Priority Lanes, mit der Möglichkeit einer schnelleren Abfertigung. Den Zugang ermöglichen Vielfliegerkarten. Das ist inzwischen eigentlich schon Standard. Hinzu kommt die Möglichkeit, sich in separaten Business Lounges aufzuhalten. Diese haben nach meiner Einschätzung eine enorme Bedeutung. Zum einen, weil sie einen Rückzugsraum bieten, der enorm stressreduzierend wirken kann. Zum anderen, weil immer mehr Reisende die Möglichkeit nutzen wollen, auch unterwegs zu arbeiten.

Diese Möglichkeit wird unter dem Stichwort mobiles Büro ja schon seit langem diskutiert. Inwieweit sind die technischen Voraussetzungen hierfür gegeben?
Eigentlich kann man sagen: Für Mitarbeiter großer Firmen ist das mobile Büro auf der Geschäftsreise heute schon Standard. In der Regel können sie über eine sichere Verbindung auf  den Firmenserver zugreifen und haben somit auch unterwegs Zugriff auf alle wichtigen Dokumente.

Vorausgesetzt, man hat eine stabile Datenleitung zur Verfügung.
Sicher, aber genau solche Voraussetzungen bieten die beschriebenen Business Lounges. Schnelles WLAN gehört hier inzwischen zum Standard. Sie haben also selbst im notorisch schlecht ausgestatteten Deutschland als Reisender kein Problem, mobil zu arbeiten – sogar nicht einmal mehr in der Bahn.

Was halten Sie von der Vision, in solchen exklusiven Bereichen nicht nur ideale Arbeitsbedingungen zu schaffen, sondern sogar die Möglichkeit zu bieten, sich sportlich zu betätigen? Halten Sie so etwas wie Yoga-Lounges für sinnvoll?
Denkbar wäre das sicherlich, nur sehe ich den Bedarf im Augenblick eher noch nicht. Was unsere Umfragen immer wieder zeigen: Geschäftsreisende wollen vor allem ruhig arbeiten können. Was ich mir noch eher vorstellen könnte, wären Zonen, die man zu Ruhebereichen gestaltet – inklusive Handyverbot und eventuell sogar ausgestattet mit VR-Technologie.

Bleiben wir noch kurz beim Komfort: Welche Trends sehen Sie außer den auf konzentriertes Arbeiten optimierten Business-Lounges noch?
Was nach unserer Beobachtung ebenfalls zunehmend nachgefragt wird, sind Annehmlichkeiten wie Duschmöglichkeiten an den Flughäfen. Das hat auch damit zu tun, dass die Zeittaktung einer Reise immer enger wird. Sie haben heute als Geschäftsreisender nicht selten die Situation, sich mehr oder weniger unmittelbar nach einem Langstreckenflug schon auf den Weg zum Meeting begeben zu müssen.

Wenn der Druck auf den Geschäftsreisenden so stark steigt – warum nicht einfach auf die ein oder andere Reise verzichten? Die Digitalisierung bietet uns doch inzwischen Alternativen.
Das stimmt natürlich. Es ist inzwischen möglich, viele Meetings auch über Videokonferenzen abzuhalten. Und diese Möglichkeit wird ja auch schon rege genutzt. Sogenannte Virtual-Collaboration-Lösungen kommen vor allem bei internen Meetings immer öfter zum Einsatz. Verabredete man sich früher zu einem Conference Call, findet das Gespräch unter Mitarbeitern heute immer öfter über Technologien wie Webex oder Skype Business statt. Das funktioniert gut, ist technisch ausgereift und hat nachweislich dazu beigetragen, den Reisebedarf in den letzten Jahren drastisch zu reduzieren.

Aber warum ist dann der Bedarf an Reisen insgesamt gestiegen?
Das ist in der Tat eine spannende Frage. Wenn Sie mit Unternehmen darüber sprechen, hören Sie immer wieder, dass in bestimmten Fällen ein persönliches Meeting eben nach wie vor durch nichts zu ersetzen sei. Etwa dann, wenn Geschäftsdeals verhandelt werden, wenn Sie Konflikte lösen müssen, etwas allgemeiner gesprochen, wenn es wichtig ist, Stimmungen wahrzunehmen, um schwierige Entscheidungen treffen zu können. Das ist via Telefon oder Videokonferenz nur sehr schwer bis gar nicht möglich.

Weil der Bereich der nonverbalen Kommunikation in einer virtuellen Umgebung wegfällt?
Richtig. Der amerikanische Psychologe Albert Mehrabian hat schon in den 1960er-Jahren herausgefunden, dass über die Hälfte des menschlichen Kommunikationsprozess von der Körpersprache bestimmt wird. Auch wenn man sich über die genauen Zahlen streiten kann, ist doch erwiesen, dass nonverbale Signale die Kommunikation entscheidend mitbestimmen. Und genau dieser Aspekt gerät bei einem virtuellen Kontakt leicht ins Hintertreffen.

Das könnte in einer Zeit, die von sehr angespannten internationalen Handelsbeziehungen geprägt ist, natürlich suboptimal sein.
Das sehe ich genauso. Es ist einfach schwer vorstellbar, dass ein virtueller Kontakt ausreicht, um beispielsweise in einer Krisensituation deeskalierend zu agieren. Ein virtuelles Setting begünstigt im ungünstigsten Fall sogar eher noch die Tendenz, sich abzukapseln und die Perspektive des Gesprächspartners zu ignorieren. Ganz anders bei einem realen Treffen, mit Augenkontakt und den Möglichkeiten, Emotionen des Gegenübers viel unmittelbarer wahrzunehmen. Das Feedback von tausenden Menschen, die wir immer wieder befragen, ist in diesem Punkt: Virtuelle Meetings funktionieren dann sehr gut, wenn es sich um Gesprächspartner handelt, die man bereits sehr gut kennt, also beispielsweise langjährige Mitarbeiter. Sobald diese Voraussetzung nicht gegeben ist, gibt es eigentlich keine Alternative zu einer Geschäftsreise.

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