Gesund essen am Arbeitsplatz

Neue Studien belegen den großen Einfluss von Kantinenessen auf das Wohlbefinden der Arbeitnehmer. Wie ist es um die Qualität des Speiseangebots bestellt und welche Alternativen gibt es im Joballtag?
Illustrationen: Daniel Balzer
Dr. Ulrike Schupp Redaktion

Nächtliche Schlafenszeiten ausgenommen, verbringen die meisten US-Amerikaner etwa die Hälfte ihres Tages bei der Arbeit. Ernährungstechnisch bedeutet das, sie konsumieren häufig auch die Snacks oder Mahlzeiten, die eben dort oder in der Nähe schnell und unkompliziert zur Verfügung stehen. In Deutschland dürfte das kaum anders aussehen. Eine neue Studie im American Journal of Preventive Medicine belegt, was niemanden so wirklich verwundert: Die Qualität der Ernährung am Arbeitsplatz beeinflusst das Gewicht und die allgemeine Gesundheit der Beschäftigten signifikant. Wer sich während der Arbeit also gesund ernährt, ist seltener übergewichtig und leidet weniger oft an Erkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes. Die Studie zeigt damit auch, dass gesundes Essen in den Betrieben einen wichtigen Beitrag zur Prävention im Hinblick auf etliche Erkrankungen leisten kann, die durch Fehl- und Mangelernährung begünstigt werden – darunter Herz-Kreislauferkrankungen, die in der westlichen Welt mit zu den häufigsten Todesursachen zählen.


Zu den Teilnehmenden der Studie zählten die über 600 Angestellten eines Krankenhauses, die regelmäßig Kantinen und Cafeterien am Arbeitsplatz nutzten und dabei über einen Zeitraum von zwei Jahren begleitet wurden. Die Betriebsrestaurants zeichneten ihre Angebote mit einer Gesundheitsampel aus (grün = gesund, gelb = weniger gesund, rot = ungesund), sodass später Korrelationen zwischen der Art der Ernährung und gesunden Werten unter anderem beim Body Mass Index (BMI) und beim Blutdruck eindeutig nachgewiesen werden konnten. Die Macher der Studie betonen unter anderem auch den Trainingseffekt, den die Betriebe über ihre Kantinen und Bistros erreichen können. „Wellnessprogramme am Arbeitsplatz könnten Veränderungen der Lebensgewohnheiten bei großen Populationen von Angestellten bewirken“, so Jessica L. McCurley von der Havard Medical School in Boston. Die aktuelle Herausforderung bestehe darin, entsprechende Programme zu entwickeln und wirkungsvolle Tools bereitzustellen, um die Ergebnisse dann auch messen und skalieren zu können.


Nötig sind solche Trainingsprogramme nicht nur in den USA, sondern sicher auch hierzulande. Es sind vier Faktoren, die uns dabei unterstützen oder auch daran hindern, uns gesund zu ernähren, erklärte die Kardiologin, Sport- und Ernährungsmedizinerin Elisabeth Schieffer von der Medizinischen Hochschule Hannover anlässlich der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Mannheim: Emotionen, Verfügbarkeit, Wissen und Kosten. Emotional gesehen bedeutet Essen soziales Miteinander und Genuss, Belohnung, Beruhigung oder Trost. Ob es dabei auch noch gesund ist, ist emotional betrachtet eher zweitrangig. Es spielt darüber hinaus eine Rolle, wie leicht gesundes Essen zugänglich ist. Wie sieht die Auswahl in der Kantine aus? Gibt es nur einen Bäcker in der Nähe der Arbeitsstätte oder auch einen Bioladen, eventuell sogar einen mit Mittagstisch, frisch gekocht mit dem Gemüse in der Auslage? Entscheidend ist zudem: Wie gut kennt sich jemand überhaupt mit gesunder Ernährung aus? Schieffer zufolge weiß etwa ein Drittel der Deutschen im Prinzip schon wie es geht. Bei zwei Dritteln herrscht dagegen großer Aufklärungsbedarf. Last but not least sind ungesunde Nahrungsmittel dann häufig auch noch billiger.


Der Genuss einer gesunden und, wie von Experten empfohlen, auch leichten Kost mit viel Gemüse, Obst, Olivenöl, Seefisch und wenig Fleisch scheitert unter anderem daran, dass etwa nur noch 40 Prozent der Deutschen täglich selber kochen – wie der Ernährungsreport 2019 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft kürzlich zeigte. Wer seine Mahlzeiten selbst zubereitet, kann jedoch Zutaten bewusst auswählen und damit zum Beispiel sicherstellen, dass tatsächlich wenig tierisches Fett verwendet wird. Etwa 20 Prozent der Befragten des Reports gingen wenigstens einmal in der Woche in die Kantine. Und 99 Prozent waren sich einig, dass Essen vor allem eins soll, nämlich „gut schmecken“.


Wie der Report zeigte, ist den meisten zwar durchaus bewusst, dass Essen die Gesundheit beeinflusst. Im Alltag scheitern gute Vorsätze allerdings häufig am Zeitdruck. Und auch die klassischen Lieblingsspeisen der Deutschen sind alles andere als leichte Kost. Gefragt sind noch immer Braten, Schnitzel und Gulasch, gefolgt von Spaghetti, Lasagne und Spätzle. Platz eins in den Menü-Charts deutscher Kantinen belegt Auswertungen der Apetito Group zufolge seit 27 Jahren die Currywurst, begleitet von einer ordentlichen Portion Pommes rot-weiß.


Eine Art Schnelltest für Kantinen bietet die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Qualitätskriterien für Kantinen sind unter anderem: Gibt es mehrere und auch vegetarische Gerichte zur Auswahl? Steht wenigstens einmal in der Woche Seefisch auf dem Speiseplan? Werden reichlich frische Kräuter verwendet und schlägt das Mahl während der Arbeitszeit mit maximal 1000 Kalorien zu Buche? Die DGE wartet zudem mit Tipps für die gesunde Ernährung am Arbeitsplatz auf. Sie empfiehlt mehrere kleinere Mahlzeiten aus Obst, fettarmen Milchprodukten oder dünn belegten Broten über den Tag, um Leistungstiefs wie das gefürchtete „Suppenkoma“ nach dem Mittagessen zu vermeiden, Mitgebrachtes als Alternative zum Imbiss und Essenspausen, bei denen der Schreibtisch außer Reich- und Sichtweite bleibt.


Statista zufolge versorgt sich immerhin etwa jeder zweite im Büro selbst mit Essen nach eigenem Gusto und hier sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Gerade auch beim Mitgebrachten setzen sich neben Klassikern neue Ernährungstrends durch. Das Spektrum reicht vom Butterbrot in Pergament, über Selbstgekochtes vom Vortag bis hin zur japanischen Bentobox, in der sich gleich mehrere Gerichte, Vor- und Nachspeisen appetitlich übereinanderstapeln. Einfache und gesunde Rezepte für Selbstversorger liefern einschlägige Portale oder Blogs für Foodies wie utopia.de, bento-lunch-blog.blogspot.com, projekt-gesund-leben.de oder naturallyella.com, um nur einige zu nennen.

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