Von Prinzessinnen und Piraten

Schon im Kindheitsalter werden Jungen und Mädchen auf ihre künftigen Geschlechterrollen vorbereitet. Was tun?
Illustration: Nanna Prieler

Illustration: Nanna Prieler

Verena Mörath Redaktion

Zwillinge auf dem Weg in den Kindergarten: Die Dreijährige trägt ein rosa Faltenröckchen, ihr Bruder ein kräftig blaues Fußballtrikot. Für Mädchen gibt es Bettwäsche mit niedlichen Prinzessinnen, für Jungen mit wilden Piraten. Mädchen basteln gerne und Jungs können nicht still sitzen. Mädchenhaft und jungenhaft. Hallöchen Geschlechtsstereotypen. Ist es wirklich noch so schlimm? Ja!

Dabei bemühen sich vermehrt Bildungseinrichtungen – von der Kita bis zur Universität – mittels Gender-Pädagogik überkommene Rollenbilder aufzulösen und der jungen Generation zu vermitteln: Entwickelt euch so, wie ihr es wollt, wie es passt und nicht, wie es die Gesellschaft will und es euch noch immer vorlebt. Leider bleibt die Geschlechterwelt Rosa und Hellblau gestrichen. Jungen hier, Mädchen dort.

Vor fast 150 Jahren haben deutsche Schulrektoren entschieden, dass Frauen einer Schulbildung würdig sind. Das hat recht lange gedauert! Frage an die wahrsagende Kristallkugel: Wann werden Jungs und Mädchen – und alle anderen Geschlechter –, sich von Kindheit an als gleichberechtigt und ebenbürtig begreifen, sich zwar unterscheiden, aber gleich behandelt werden?" Die Kugel funkelt nur wenig, als sie antwortet: "Sehr lange. Es handelt sich um eine Zeitrechnung, die der Menschheit noch unbekannt ist."

In der Erwachsenenwelt sehen Rosa und Hellblau so aus: Frauen studieren seit den 1990er Jahren in gleicher Anzahl wie Männer, sie promovieren zu 45,2 Prozent, aber sind nur zu einem Viertel hauptberuflich als Professorinnen tätig. Außerdem: Je höher die Besoldungsgruppe an deutschen Hochschulen, desto kleiner wird die Frauenquote. Ja, es gibt einen Unterschied zwischen Frauen und Männern. Übrigens, der GenderPayGap beginnt schon mit dem ersten Taschengeld: Jungs bekommen mehr als Mädchen. Sie werden für die Hilfe im Haushalt zwar gelobt, aber auf den rasenmähenden Bruder wartet eine "Provision" in harter Währung.

Rätselhaft bleibt bislang auch diese Zahl: Laut Statistischem Bundesamt landen Frauen im Alter zwischen 18 und 24 Jahren häufiger in Führungspositionen als ältere. Bekommen Karrierefrauen doch früher Kinder und kommen nicht wieder? Oder sind es Platzhalterinnen, bis Männer gereift sind? Im Durchschnitt schaffen es 21,3 Prozent erwerbstätiger Frauen die Karriereleiter hoch zu klettern. In der sehr jungen Altersgruppe noch 28 Prozent. Vermutlich am häufigsten in der Gesundheitswirtschaft, die zu 82,2 Prozent weiblich ist. Seltener wohl im Hoch- und Tiefbau, wo zu 98,5 Prozent Männer beschäftigt sind. Mädchen und Frauen pflegen eben gerne und gehorchen lieber, Jungs und Männer delegieren schon im Sandkasten.

Derartige Geschlechter-Klischees befördert das Gender-Marketing querbeet durch alle Branchen und für jede Altersgruppe. Moderner ausgestattet, aber in altem Gewand: Heute gibt es das 3-D-High-Heel-Puzzle für Mädchen, um für den Laufsteg zu üben. Als Pendant das 3-D-Fußball-Puzzle mit Manuel Neuer für die Jungs. Unsere Torhüter! Rosa und Hellblau mischen? Klappt nicht so richtig. Selbst eine recht maskulin aussehende Do-it-Yourself-Frau in farbverschmiertem Männerhemd, mit Bohrmaschine und coolem Blick – Werbung für den Baumarkt – ist nicht überzeugend, sondern platt und durchschaubar. Da sind mir ehrliche Prinzessinnen fast lieber.

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